Interview

„Es wurde befürchtet, dass diese COP ein Scheitern des Multilateralismus wird“

COP27
Dr. Greta Reeh ist Leiterin der Forschungsakademie und war als Teil der IKEM-Delegation auf der COP27 in Ägypten. In diesem Interview berichtet sie von ihren persönlichen Eindrücken und ordnet die Ergebnisse der Klimaverhandlungen ein.
Hallo Greta. Du warst in der zweiten Verhandlungswoche in Sharm El-Sheikh. Wie war die Stimmung vor Ort?
Dr. Greta Reeh: Was man auf jeden Fall bei jeder COP merkt, ist dass Menschen vor Ort sind, die motiviert sind und etwas bewegen wollen. Das gilt für Staatenvertreter:innen genauso wie für Beobachter:innen. Die Beiträge aus der Zivilgesellschaft, egal ob von Klima-NGOs, Vertreter:innen indigener Völker oder Menschenrechtsaktivist:innen, machen die COP ebenso wie die vielen spannenden Side-Events zu etwas ganz Besonderem. In diesem Jahr wurde das Ganze jedoch von den schlechten Arbeitsbedingungen überschattet. Sowohl bei den offiziellen Verhandlungen als auch in der sogenannten Blue Zone, einem Bereich für Side-Events von Staaten und NGOs, gab es massive Probleme, etwa bei der Verpflegung.
Wie erklärst du dir das?
Dr. Greta Reeh: Nun, die COP ist insgesamt stark gewachsen. Das ist eigentlich gut, denn eine einfache Möglichkeit zur Teilnahme schafft Transparenz für die Klimaverhandlungen. Es mag sein, dass die Organisator:innen mit den rund 33.000 Akkreditierungen schlicht überfordert waren. Zum Teil hatten wir aber das Gefühl, das wurde bewusst so gemacht, um die Stimmung bei den Verhandlungen zu drücken.
Was hast du von den Verhandlungen mitbekommen?
Dr. Greta Reeh: Vor Ort in der Tat wenig, da von den Verhandlungen kaum etwas nach außen gedrungen ist. Diese finden in einem gesonderten Bereich statt, der bei den bisherigen COPs zumindest in Teilen für Beobachter:innen zugänglich war. In diesem Jahr war der Zugang zum Plenarsaal jedoch nur mit größtem Aufwand möglich. Selbstverständlich sind sämtliche Textentwürfe der Verhandlungen auf der Website des Weltklimarats öffentlich verfügbar. Allerdings hatten wir dank schlechtem Internet und mangelhafter Infrastruktur quasi keinen Zugriff darauf.
Wie konntest du dich als NGO-Vertreterin trotzdem einbringen?
Dr. Greta Reeh: NGOs sind als Vertreter:innen der Zivilgesellschaft bei der COP genauso wie bei allen internationalen Staatenkonferenzen unentbehrlich. Die Beschlüsse der COP haben ja unmittelbar Auswirkungen auf jede:n von uns. Das deutsche Klimaschutzgesetz gibt es beispielsweise nur wegen des Pariser Klimaabkommens. Als deutsche NGO können wir an Briefings und Veranstaltungen der deutschen Regierung und der EU teilnehmen. Dort werden wir mit unserem Wissen und unseren Einschätzungen gehört. NGOs aus weniger offenen Staaten haben es zum Teil deutlich schwerer. Deshalb ist es wichtig, die Rolle der NGOs bei zukünftigen COPs zu stärken, sodass alle Vertreter:innen der Zivilgesellschaft die COP in gleichem Maße begleiten können.
Du bist Expertin für internationale Klimavereinbarungen. Wie bewertest du die Ergebnisse?
Dr. Greta Reeh: Rechtlich sind die Ergebnisse der diesjährigen COP sicherlich nicht allzu positiv zu bewerten. Viele hatten sich im Vorfeld größere Fortschritte erhofft, wollten ehrgeizigere Klimaschutzziele umgesetzt sehen oder einen umfangreicheren Fonds für Schäden und Verluste etablieren. Allerdings bestand auch die Befürchtung, das gar keine Verhandlungserfolge erzielt werden und die COP zum Sinnbild eines scheiternden Multilateralismus wird. Angesichts dessen müssen wir wohl zufrieden sein, dass die COP27 überhaupt positive Ergebnisse für den globalen Klimaschutz präsentieren konnte.
Was sind die Lehren für die COP28 in Dubai?

Dr. Greta Reeh: COP25 und 26 fanden in einer sehr angenehmen Atmosphäre statt, die nicht nur unsere Arbeit als Zivilgesellschaft erleichterte, sondern auch die Stimmung bei den offiziellen Verhandlungen positiv beeinflusste. Die schlechten Arbeitsbedingungen auf dieser COP zeigen, dass der Gastgeberstaat einen wesentlichen Einfluss auf den Ablauf und die Ergebnisse der Klimakonferenz haben kann. Vom UNFCCC muss gewährleistet werden, dass es im nächsten Jahr einen Mindeststandard für die Arbeitsbedingungen gibt.

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