IKEM-Jahrestagung 2021

Klimarecht – Ganzheitliche Antwort auf eine globale Herausforderung

Vertreter:innen aus Ökonomie, Rechts- und Sozialwissenschaft sprachen an der IKEM Jahrestagung 2021 in Greifswald gemeinsam über Klimapolitik und das neue Verständnis des Klimaschutzrechts. Ihre Beiträge machten deutlich, dass der Klimawandel alle Lebensbereiche betrifft und deshalb ganzheitlich angegangen werden muss. Diesem Verständnis folgend, umfasst das neue Klimarecht auch die Klimaanpassung und Klimafolgen und erfordert dringend einer Systematisierung dieser Fülle an Rechtsetzung.

Auf diese Entwicklung ging Prof. Dr. Michael Rodi, Direktor und wissenschaftlicher Leiter des IKEM, deshalb auch in seiner Eröffnungsrede ein. Das neue Rechtsgebiet habe den Wunsch nach einem Standardwerk lautwerden lassen. „So entstand die Idee das Handbuch Klimaschutzrecht zu verfassen. Gemeinsam mit rund 40 Autor:innen haben wir darin das Klimarecht in seiner Gesamtheit abgebildet.“ Er machte außerdem auf eine Lücke im Jurastudium aufmerksam: „Klima- und Energierecht sind nicht Teil der Ausbildung. Das wollen wir ändern. Deshalb werden wir in den nächsten Jahren einen entsprechenden Studiengang gründen.“

Den Blick auf die internationale Ebene richtete Prof. Dr. Michael Mehling vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der University of Strathclyde in seinem Vortrag. Er gab einen kurzen Abriss über die Entwicklung des Klimavölkerrechts und zog von dort aus seine Schlüsse zur COP26 in Glasgow. Der Stand vor der Klimakonferenz ist für ihn klar: „Die überwiegende Mehrheit der Vertragspartner unternimmt nicht genug, um einen angemessenen Anteil an den Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels zu tragen und das Pariser Abkommen zu erfüllen.“ Um das zu ändern, sieht er noch viele Hürden, manche davon politisch, wie die Streitigkeiten über Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens, manche davon fachlicher Art, wie zum Beispiel beim Stellenwert von Marktinstrumenten für den Klimaschutz.

Dass das Klimaschutzrecht nicht nur interdisziplinär, sondern auch innerhalb der Rechtswissenschaften zusammenwächst, zeigte Prof. Dr. Claudio Franzius, von der Universität Bremen, in seinem Plädoyer für das neue Rechtsgebiet: „Eine saubere Trennung zwischen Völkerrecht und nationalem Recht ist nicht mehr möglich. Auch die Unterschiede zwischen Unions- und internationalem Recht verschwimmen.“ Trotz dieser Verschränkung könnten Staaten auch unilateral beim Klimaschutz vorangehen. Er plädierte dafür, dabei nicht auf verbindliche Vorgaben im Völkerrecht zu warten. Wer das tue, sei entweder naiv oder wolle den Klimaschutz ausbremsen.

Der anschließende IFZO-Workshop mit Prof. Dr. Michael Mehling, Prof. Dr. Birgitte Egelund Olsen (Universität Aarhus), Dr. Farid Karimi (Novia University) und Judith Kärn (IKEM/IFZO) widmete sich den rechtlichen Entwicklungen im Ostseeraum. Ein Schwerpunkt war die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen. Professor Birgitte Egelund Olsen stellte den dänischen „Werkzeugkasten“ vor, der die Akzeptanz von Innovationen im Bereich der erneuerbaren Energien durch rechtliche Anreize erhöhen soll. Dabei erläuterte sie unter anderem die finanzielle Entschädigung von Hauseigentümern, die es den nächsten Nachbarn ermöglicht, ihre Grundstücke an Bauträger zu verkaufen, wenn diese durch den Bau von Windkraftanlagen oder Solarparks an Wert verlieren. Auch die Anwohner in unmittelbarer Nähe der Anlagen erhalten von den Anlagenbesitzern eine jährliche finanzielle Entschädigung, so Egelund Olsen. Ausgehend von den dänischen Erfahrungen empfahl sie den verstärkten Gebrauch von einfachen, verlässlichen Instrumenten, die eine bessere Sicht auf die lokalen Auswirkungen der Energiewende ermöglichen würden.

Über den Einfluss des Klimarechts auf das Bauplanungsrecht und dessen Entscheidungsprozesse sprach Prof. Dr. Michael Sauthoff, Präsident des Oberverwaltungsgerichts und Finanzgericht im Ruhestand, sowie Mitglied im IKEM-Beirat. Er machte deutlich, wie viele Optionen Kommunen allein im Planungsrecht und der Raumordnung zur Verfügung stehen und wie zentral daher die Rolle von Kommunen für den Klimaschutz ist. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass die lokale Verwaltung auch Kapazitäten für ihre Umsetzung benötige. „Das ist nicht immer der Fall“, so Sauthoff und verwies dabei auch auf die Situation in Berlin.

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion mit Lukas Benner (MdB, Bündnis 90/Die Grünen), Lea Nesselhauf (German Zero), Dr. Olaf Däuper (BBH), Robert Kauert (Stadtwerke Greifswald) und Jens Christensen (ENERTRAG) ging es um konkrete Maßnahmen und Ziele für den Klimaschutz in Deutschland. „Wenn wir uns das Ziel setzen, 2035 klimaneutral zu sein, dann wäre das ein wissenschaftlich begründetes Ziel und außerdem eines, dass man nicht immer ändern und anpassen muss“, so Nesselhauf zur Debatte um das Datum bis zu dem Deutschland klimaneutral sein soll. Auf lokaler Ebene hat man im Vergleich dazu einen anderen Fokus: „Als Stadtwerke schauen wir nicht auf die langen Zeiträume, sondern auf das, was der Rechtsrahmen hergibt“, erklärte Kauert. Viel sei schon erreicht, wenn der Gesetzgeber lokale Begebenheiten berücksichtigen würde. So könnte Greifswald einen Großteil seiner Wärme über Power-to-Heat produzieren, wenn Windkraftanlagen nicht abgeregelt würden.

Ob international, europäisch, national oder lokal – das Thema Klimaschutzrecht spielt auf allen Ebenen eine Rolle und betrifft Wissenschaflter:innen genauso wie Vertreter:innen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Die IKEM Jahrestagung 2021 hat diese große Band- und Wirkungsbreite deutlich gemacht und damit einen weiteren Beitrag dazu geleistet, die Konturen dieses neuen Rechtsgebiets zu beschreiben.

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IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.