Rückblick: IKEM-Jahrestagung 2019 zu #Klimakompensation

Am 12. März 2019 fand die IKEM-Jahrestagung zu Klimakompensation statt: Rund 80 Expert_innen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft diskutierten in Berlin, was Kompensationszertifikate leisten müssen, um einen deutlichen Klimaeffekt zu erbringen. Neben best practices diskutierten die Teilnehmenden auch mögliche Anpassungen des regulatorischen Rahmens. 

In einer einleitenden Keynote würdigte Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth das große Interesse am Thema Klimakompensationen. Das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit hat im November 2018 die „Allianz für Klima und Entwicklung“ ins Leben gerufen. Ziel der Allianz ist es, Klimaschutzprojekte in der ganzen Welt zu fördern und nachhatlige Entwicklung anzustoßen. Rund 200 Partner aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft setzen sich weltweit für Klimaschutz ein. Die Allianz betont dabei die Verantwortung der Industrieländer, beim internationalen Klimaschutz voranzugehen. Insbesondere müssten versprochene Zusagen bei der Klimafinanzierung eingehalten werden.

Die Partner der Allianz streben ferner an, klimaneutral zu werden. Dazu würden Treibhausgasemissionen so weit es geht vermieden, weiter gesenkt und nicht vermeidbare Klimagase kompensiert. Klimakompensation ist daher der Schlüssel für klimaneutrales Wirtschaften. Das Ministerium will Vorbild sein und geht als gutes Beispiel voran: ab 2020 soll das gesamte Entwicklungsministerium klimaneutral arbeiten. Die Bundesregierung verpflichtet sich, bis 2030 klimaneutral zu sein. Die Mitglieder der Allianz investieren in Entwicklungs- und Schwellenländern, um ihren restlichen CO2-Ausstoß kompensieren zu können. Die Auswahl der Projekte unterliegt strengen Vorgaben. So sollen die Projekte Treibhausgase vermeiden, reduzieren oder binden; den wirtschaftlichen und technologischen Fortschritt fördern und ihre Wirkungen mit hohen und unabhängig geprüften Standards nachweisen.

IKEM-Geschäftsführer Simon Schäfer-Stradowsky beleuchtete in einem anschließenden Impulsvortrag die rechtlichen Grundlagen für Klimakompensationsprojekte. Neben verpflichtenden Maßnahmen, die etwa das Kyoto-Protokoll regelt, hat sich innerhalb der Europäischen Union der Handel mit Emissionszertifikaten als wichtiger Kompensationsmechanismus etabliert. Während es in den Pflichtmärkten strenge Anforderungen an die Klimaschutzprojekte gibt, hält sich der Gesetzgeber bislang vollständig aus der Regulierung freiwilliger Kompnesationsprojekte heraus. Zwar hat sich auf Bestreben von Umweltverbänden der Gold Standard als de facto-Standard für Kompensationszertifikate etabliert, jedoch gibt es bis heute keine verpflichtenden Vorgaben für den privatwirtschaftlichen Handel mit Kompensationszertifikaten. Das IKEM wirbt daher dafür, verbindliche Vorgaben und rechtsverbindliche Standards für den Kompensationsprojekte festzulegen.

„Andernfalls droht ein Flickenteppich aus Kompensationsanforderungen der Wirtschaft, des Bundes und der Länder. Dies erschwert die Strukturierung sinnvoller Kompensationsprojekte erheblich“, so  Simon Schäfer-Stradowsky im Rahmen der Jahrestagung.

Stefan Baumeister über die Arbeit von myclimate.

Stefan Baumeister, Geschäftsführer myclimate gGmbH, erörterte in seinem Vortrag die konkrete Ausgestaltung möglicher Kompensationsprojekte. Myclimate bietet seit 2002 Klimakompensationszertifikate an. Bislang hat der Anbieter 6,2 Mio Tonnen Treibhausgase kompensiert. Neben dem Klimanutzen steht bei der Realisierung der Projekte auch immer nachhaltige Entwicklung im Vordergrund. In enger Kooperation mit lokalen Partnern werden dazu ganzheitliche Projekte gefördert, die mehrere Ziele für nachhaltige Entwicklung in den Blick nehmen. Alle von myclimate geförderten Projekte sind nach Gold Standard zertifiziert und folgen der politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen, nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene zu fördern.

In einem anschließendem Praxisblock stellte unter anderem Jan-Ole Jacobs, Lufthansa AG, die Kompensationsbemühungen des Unternehmens vor. Lufthansa kooperiert seit mehreren Jahren mit myclimate und bietet Kunden die Kompensation ihrer Flugreise an. Derzeit wird die Kooperation ausgebaut. Neben Flugreisen bemüht sich das Unternehmen ebenfalls, Klimagase entlang der Lieferkette zu neutralisieren.

Dr. Thorsten Permien stellte das Kompensationsinstrument der MoorFutures vor. MoorFutures sind das weltweit erste Kohlenstoffzertifikat aus Moorwiedervernässung mit eigener, belastbarer Infrastruktur für Analyse, Umsetzung und Monitoring. Die MoorFutures wurden 2012 als Kohlenstoffzertifikat aus der Wiedervernässung von Mooren etabliert. Mittlerweile bieten Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Schleswig-Holstein MoorFutures als klimagerechte Geldanalge an. Mit Blick auf das Pariser Klimaschutzabkommen machte Permien deutlich, dass die vereinbarten Ziele zur CO2‐Reduktion ohne ambitionierte Kompensationsmaßnahmen nicht erreichbar sind. Für moorreiche Länder in Norddeutschland ist „Klimaschutz ohne Berücksichtigung der Moore daher schlicht undenkbar“, so Permien in seinem Vortrag.

Die global woods international AG schützt das Klima durch die Aufforstung von Wäldern. Vorstandsvorsitzender Dr. Manfred Vohrer betrachtete dazu die vielfältige Arbeit der Organisation in verschiedenen Projekten in Südamerika. Um die Glaubwürdigkeit von Kompensationsmaßnahmen zu erhalten, müsse immer versucht werden, Klimagase an der Quelle zu reduzieren. Erst im nächsten Schritt dürfe kompensiert werden. Insbesondere bei Aufforstungsprojekten gilt es außerdem, Monokulturen zu verhindern.

In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Olaf Schulze, METRO AG, Stefan Baumeister, myclimate gGmbH, Lisa Badum, MdB (Bündnis 90/Die Grünen), Malin Ahlberg, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie Prof. Christian Held, IKEM, unter Moderation von Jakob Schlandt, Tagesspiegel, ob Klimakompensation moderner Ablasshandel oder ein effektives Mittel zum Klimaschutz sind. Während der einstündigen Diskussion wurden mehrere Kontroversen sichtbar: Diskutiert wurde etwa eine verpflichtende oder freiwillige Einbindung von Kompensationen in Produktionsketten. Auch die Rolle des Individuums sowie die Rolle der Politik war umstritten. Lisa Badum kritisierte, dass Klimakompensation die Einzelnen in den Blick nimmt. Es bräuchte stattdessen ambitionierte Vorgaben aus Politik an weite Teile der Wirtschaft. Einig waren sich jedoch alle Diskutanten über die absolute Notwendigkeit von Klimakompensationen außerhalb des Emissionshandels der Europäischen Union. Außerdem müsse der Bekanntheitsgrad und die Relevanz von Klimakompensationen in der öffentlichen Wahrnehmung steigen. Insbesondere die Kommunikation mit Verbrauchern müsse transparenter werden.

Zum Ausklang der Tagung gab Klaus Mindrup, MdB (SPD) einen Überblick über aktuelle Entwicklungen bei der Klimaschutzgesetzgebung. Das geplante Klimaschutzgesetz betont die Bedeutung von Klimakompensation. Bis 2030 soll die gesamte Bundesverwaltung klimaneutral arbeiten. Vor dem Hintergrund wird die Nachfrage nach Kompensationszertifikaten künftig weiter wachsen.

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IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.