IKEM-Stellungnahme

Für eine klima- und naturverträgliche Neuausrichtung des Bundesverkehrswegeplans

ICE auf einer Schnellfahrstrecke neben Autobahn

Der Bundesverkehrswegeplan wird derzeit überprüft und hinsichtlich aktueller Verkehrsanforderungen überarbeitet. Diese Chance muss genutzt werden, um dieses zentrale Werkzeug der Mobilitätsplanung in Deutschland klimagerecht um- und neuzudenken. Dabei dürfen die steigenden Pkw-Zulassungszahlen nicht zu einem Automatismus in Richtung Neubau von Fernstraßen führen. Stattdessen muss endlich der Ausbau des Umweltverbunds (u.a. ÖPNV und Radverkehr) priorisiert werden.

Hintergrund

Der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) ist ein langfristiges Planungsinstrument der deutschen Bundesregierung, welcher die strategische Ausrichtung und Priorisierung von Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Landes festlegt.

Der BVWP umfasst alle Verkehrsträger, einschließlich Straßen, Schienen, Wasserwege und Flughäfen, und gibt an, welche Projekte in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen. Dabei werden die Projekte nach ihrer Dringlichkeit und Wirtschaftlichkeit bewertet. Der Plan hat eine Laufzeit von 15 Jahren und wird alle fünf Jahre aktualisiert.

Bedarfsplanüberprüfung und Dialogprozess

Der 2016 erarbeitete und aktuell gültige BVWP 2030 befindet sich derzeit in einer Bedarfsplanüberprüfung. Diese soll klären, inwieweit die zuletzt beschlossenen Planungen für Schienen, Straßen und Wasserwege an die Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung angepasst werden müssen. Die Bedarfsplanüberprüfung des BVWP wird durch einen, im Dezember 2022 begonnenen Dialogprozess begleitet, mit dem sich die Bundesregierung mit Verkehrs-, Umwelt-, Wirtschafts- und Verbraucherschutzverbänden über die Prioritäten des BVWP verständigen möchte.

Steigende Zulassungszahlen

Aktuelle Zahlen machen deutlich, dass die wesentlichen Parameter der Verkehrsprognose für den Straßenverkehr, die dem BVWP 2030 zugrunde liegen, schon jetzt überholt sind. So ging die Prognose von einem geringeren Wachstum des Pkw-Fahrzeugbestands aus: Bereits 2022 wurde jedoch die für 2030 prognostizierte Fahrzeugzahl überschritten.

Diese Entwicklung ist symptomatisch für eine Politik, die zu steigenden Emissionen im Verkehrssektor führt und die im Bundesklimaschutzgesetz festgelegten Klimaziele verfehlt. Daran hat auch der BVWP einen Anteil: die steigenden Pkw-Zulassungszahlen folgen einer Verkehrsinfrastrukturplanung, die den Straßenverkehr über Jahre gegenüber anderen Verkehrsträgern bevorzugte. Zur Verdeutlichung: 2019 wurden in Deutschland 61 km Autobahn neu gebaut und nur 6 km Bahnstrecke.[1]

Priorisierung von Klima- und Umweltkriterien

Die Konsequenz des immer schneller wachsenden Pkw-Fahrzeugbestands darf gerade nicht sein, mehr und mehr Fernstraßen zu bauen. Um diesem Automatismus entgegenzuwirken, unsere Klimaziele zu erreichen und mobilitätsbedingte Umweltschäden zu verringern, ist eine Neuausrichtung des BVWP anhand von Klima- und Umweltkriterien dringend erforderlich.

In Zukunft müssen wir vermehrt auf den Ausbau von Radwegen, des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und der Schiene setzen. Außerdem müssen wir einen Fokus auf den Erhalt und die Aufwertung bestehender Verkehrswege setzen und uns die Frage stellen, wie wir bestehende Verkehrswege klima- und sozialgerecht umgestalten oder verbessern können.

Damit dieses Umdenken auch seinen Weg in den BVWP findet, sollte der Weiter- und Neubau von Fernstraßen während der laufenden Bedarfsplanüberprüfung gestoppt werden.[2] So kann verhindert werden, dass klimaschädliche Fakten geschaffen werden sowie Flächen und Naturräume verloren gehen.

Ausrichtung auch an stark wachsender E-Mobilität anpassen

In der Prognose des BVWP 2030 wurden auch die rasant steigenden Zulassungszahlen von E-Pkws seit 2019[3] so nicht erwartet.[4] Bei der Überarbeitung des BVWP muss daher Ladeinfrastruktur in Deutschland detaillierter betrachtet werden.

Dabei geht es nicht nur um die Anzahl der Ladepunkte, sondern auch darum, welche Art von Ladeinfrastruktur in Zukunft nachgefragt wird. Zudem müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Ladeinfrastruktur diskriminierungs- und barrierefrei genutzt werden kann und eine Technik zum Einsatz kommt, die den Anforderungen vor Ort entspricht.

Die steigende Zahl der E-Pkw verdeutlicht den Wandel bei der Mobilitätsnachfrage sowie bei den Anforderungen an die Infrastrukturplanung – beides wichtige Gründe für eine Neuausrichtung des BVWP. Es ist jedoch kein Argument für den Ausbau von Straßen. Klima- und Umweltverträglichkeit müssen in der Planung jedes Verkehrsträgers mitgedacht werden.

Der Weg nach vorne

Im Koalitionsvertrag hat die Regierung angekündigt, dass der BVWP durch einen integrierten, alle Verkehrsträger und -mittel umfassenden Mobilitätsplan ersetzt werden soll. Dieser sogenannte Bundesverkehrswege- und Mobilitätsplan (BVMP) 2040 wird derzeit von den zuständigen Ministerien erarbeitet.[5]

Der BVMP kann und muss eine langfristige Perspektive für eine bedarfsgerechte Mobilität liefern. Er muss Umweltaspekte stärker berücksichtigen, auf klimafreundliche Verkehrsträger ausgerichtet sein und auch innerhalb eines Verkehrsträgers bedarfsgerecht und klimafreundlich agieren. Diese Ziele müssen, ebenso wie der Klimaschutz, künftig im Mittelpunkt der Mobilitätsplanung stehen.

Die Beschlüsse des Koalitionsausschuss von Ende März 2023[6] stützen diese langfristige Perspektive nur zum Teil. Während die Verständigungen auf eine Nutzung der Flächen neben Autobahnneubauten für Solaranlagen wie auch auf den Ausbau der E-Ladeinfrastruktur zu begrüßen sind, sehen wir die beschlossene Beschleunigung von Autobahnprojekten jedoch kritisch, da sie auch Autobahnneubauten betrifft. Abzuwarten bleibt nun, wie die Beschlüsse gesetzlich umgesetzt und inwieweit Umweltaspekte in der Ausgestaltung berücksichtigt werden.

 

Quellen

Kontakt

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Dennis Nill

Dennis Nill

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IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.