Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD steht, doch was bedeutet das für die Klima- und Energiepolitik? Darüber haben wir mit Judith Schäfer-Gendrisch, Geschäftsführerin des IKEM, gesprochen.
Wie schätzt du die derzeitige Stimmung in Gesellschaft und Politik in Bezug auf den Klimaschutz ein?
In der Bevölkerung genießen Klimaschutz und die Energiewende weiterhin eine breite Zustimmung. Doch ich beobachte mit Sorge, dass diese Themen im öffentlichen und politischen Diskurs zuletzt an Priorität verloren haben. Bestes Beispiel war der Bundestagswahlkampf, bei dem darüber eigentlich nur am Rande gesprochen wurde. Diese Tendenz ist natürlich nicht auf Deutschland beschränkt: Nicht zuletzt wegen der Turbulenzen, die von den USA ausgehen, tritt die Klimapolitik zunehmend in den Hintergrund und klimapolitische Maßnahmen verlieren sowohl an Dringlichkeit als auch an Relevanz. Und das gerade in einer Zeit, in der es so wichtig ist, dass wir die nachhaltige Transformation konsequent weiter vorantreiben.
Wie wird die deutsche Klima- und Energiepolitik unter CDU/CSU und SPD aussehen?
Die neue Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zum Ziel der Klimaneutralität bis 2045, zum weiteren Ausbau der Erneuerbaren und zum Kohleausstieg bis 2038 bekannt. Das ist schön, nun muss es aber darum gehen, nicht nur Bekenntnisse zu erneuern, sondern konkrete Maßnahmen einzuleiten, um die Klimaziele auch tatsächlich zu erreichen.
Beim Blick in den Vertrag erscheinen die Ambitionen der Koalitionäre leider wenig ausgeprägt. Stattdessen sollen bei Klimaschutz- und Energiewendemaßnahmen verstärkt die Wettbewerbsfähigkeit und die Kosteneffizienz in den Blick genommen werden. Dieser Fokus ist angesichts der aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage nachvollziehbar. Gleichzeitig darf Wettbewerbsfähigkeit nicht als Ausrede dienen, um im fossilen Zeitalter zu verharren.
Welchen weiteren Fokus siehst du?
Es ist nicht überraschend, dass die Koalition beim Klimaschutz vermehrt auf Marktmechanismen wie die CO2-Bepreisung setzt und dieses Instrument auch international vorantreiben will. Neu ist, dass in Zukunft auch CO2-Minderungen in außereuropäischen Partnerländern zum Erreichen der deutschen Klimaziele beitragen sollen. Dieser Mechanismus mag im Einzelfall sinnvoll und kosteneffizient sein – aber auch hier besteht die Gefahr, dass ein Vorwand geschaffen wird, um die eigenen Ambitionen herunterzuschrauben.
Welche Pläne der Bundesregierung gehen in die richtige Richtung?
Eine der begrüßenswerten Weichenstellungen ist, dass die Arbeit an einer Kraftwerksstrategie fortgesetzt und ein Kapazitätsmechanismus eingeführt werden soll. Auch wenn der Koalitionsvertrag zu den Details vage bleibt: Beides sind – im Zusammenspiel mit einer angemessen gestalteten Marktintegration der Erneuerbaren – längst überfällige Schritte für ein zukunftsfähiges Strommarktdesign.
Was wünscht du dir von der neuen Bundesregierung?
Entscheidend wird sein, dass die neue Regierung die Balance zwischen ambitioniertem Klimaschutz und wirtschaftlicher Stabilität findet, ohne die Klimaziele durch zu viele Kompromisse zu gefährden. Gerade angesichts globaler Instabilität und Rückschritten ist es wichtig, dass Deutschland Vorreiter beim Klimaschutz bleibt und dem Druck aus der Industrie, die teilweise niedrigere Klimaziele fordert, standhält. Denn: Klimaschutz ist kein Wachstumshemmnis, sondern eine Chance für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.