Stellungnahme

Photovoltaik-Pflicht auf jedem Parkplatz?

Die beabsichtigte Einführung einer PV-Pflicht für bereits bestehende Parkplätze in Frankreich bietet Anlass, die Übertragbarkeit einer entsprechenden Regelung in deutsches Recht zu untersuchen.[1] Denn das Potential einer PV-Pflicht für bestehende Parkplätze wäre jedenfalls auch hierzulande erheblich: Das Frauenhofer ISE nahm jüngst in einer Studie aus Dezember 2022 für eine Überdachung von 300.000 bereits errichteten größeren Parkplätze in Deutschland mit Photovoltaikanlagen ein technisches Potential von 59 GWp an.[2] Eine kursorische Betrachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen verdeutlicht: Der Ausschöpfung dieses großen Potentials voran gehen muss eine Klärung von grundlegenden Rechtsfragen. Insbesondere sind grundrechtliche Auswirkungen einer PV-Pflicht und deren Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Hintergrund: Französische Solarüberbauungspflicht

Die französische Nationalversammlung und der Senat haben dem Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Beschleunigung der Erzeugung erneuerbarer Energien“[3] zugestimmt.[4] Das Gesetz liegt momentan dem Verfassungsrat zur finalen Überprüfung vor.[5] Neben einer Reihe von Maßnahmen zum Zwecke der Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien sehen die in Artikel 11 enthaltenen Regelungen eine Verpflichtung zur Überbauung bereits bestehender Parkplätze mit mehr als 1.500 m² Grundfläche mit Überdachungen samt darin zu integrierender, verschattender Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien vor.[6] In der Begründung ihres Gesetzesentwurfs, der noch die Anwendung auf Parkplätze mit mehr als 2.500 m² Grundfläche vorsah, wies die Regierung auf eine mit der PV-Pflicht zusätzlich realisierbare installierte Leistung von 7 bis 11 GWp hin.[7]

Bisher: PV-Pflicht in Deutschland nur hinsichtlich neu zu errichtender Parkplätzen

In Deutschland sind bisher PV-Pflichten bezüglich neu zu errichtender Parkplätze in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen in Kraft getreten.[8]

Bislang sind allerdings weder auf Bundes- noch auf Landesebene Regelungen hinsichtlich der Solarüberbauung bereits bestehender Parkplätze erlassen worden. Vor dem Hintergrund des erheblichen Dekarbonisierungspotentials, das mit einer bundeweiten Solarüberbauungspflicht verbunden wäre, des nunmehr in § 4 Nr. 3 EEG (2023) enthaltenen Solarausbaupfades und der ambitionierten Solarziele der deutschen Regierungsparteien,[9] sollte die Einführung einer bundeseinheitlichen PV-Pflicht für bereits bestehende Parkplätze im Rahmen der deutschen Rechtsordnung unter Berücksichtigung der französischen Regelung geprüft werden.

Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Dem Bund dürfte aufgrund des energiewirtschaftlichen Bezuges einer einheitlichen PV-Pflicht eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der Wirtschaft einschließlich der Energiewirtschaft gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 11 GG oder aufgrund des Zusammenhangs einer Solarüberbauungspflicht mit Treibhausgasreduktionen auf dem Gebiet der Luftreinhaltung gemäß Artikel 74 Absatz 1 Nr. 24 GG zustehen.

Grundrechtliche Relevanz

In materiell-rechtlicher Hinsicht dürften vor allem die Eigentumsgarantie der privaten Parkplatzeigentümer:innen gemäß Artikel 14 Absatz 1 GG und der allgemeine Gleichheitsgrundsatz gemäß Artikel 3 Absatz 1 GG zu berücksichtigen sein. Zudem kann die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Absatz 1 GG tangiert sein, sofern Eigentümer:in und Betreiber:in des Parkplatzes auseinanderfallen. Bei Parkplätzen, die im öffentlichen Eigentum stehen könnte hier die Pflicht durch die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand greifen.[10]

Neben der Frage der Eröffnung des grundrechtlichen Schutzbereiches dürfte insbesondere zu beachten sein, welche Auswirkungen sich in Bezug auf die Eingriffsintensität und Rechtfertigung ergeben.

Eine PV-Pflicht hinsichtlich bestehender Parkplätze bedeutet regelmäßig einen erheblichen Eingriff in das Eigentumsrecht der Eigentümer:innen. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass bei diesen in der Regel keine oder nur eine geringe Investitionsbereitschaft beziehungsweise korrespondierende finanzielle Mittel bestehen dürften. Jedenfalls dürfte der Eingriff in den Bestand regelmäßig mit höheren Kosten für die Eigentümer:innen verbunden sein, als im Falle der Errichtung der PV-Anlage im Zuge der Planung und des Neubaus eines Parkplatzes.

Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit könnten die in § 3 des Bundesklimaschutzgesetzes geregelten nationalen Klimaschutzziele legitime Zwecksetzungen einer PV-Pflicht begründen. Bezüglich der Angemessenheit einer PV-Pflicht hinsichtlich bereits errichteter Parkplätze dürfte unter dem Gesichtspunkt praktischer Konkordanz vor allem zu berücksichtigen sein, dass ausweislich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Staat gemäß Artikel 20a GG „zum Klimaschutz verpflichtet“ ist, was „auf die Herstellung von Klimaneutralität zielt“ und das „relative Gewicht des Klimaschutzgebotes in der Abwägung bei fortschreitendem Klimawandel weiter zunimmt“.[11] Im Zusammenhang mit dem Ausbau erneuerbarer Energien stellt die in § 2 Satz 2 EEG (2023) enthaltene Regelung ferner allgemein fest, dass die erneuerbaren Energien als vorrangiger Belang in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden. Dies dürfte den Aspekt einer effektiven Förderung der Treibhausgasreduktion mittels des Ausbaus erneuerbarer Energien wertungsmäßig in das Zentrum einer Abwägung mit den betroffenen Grundrechten und Rechtsgütern heben.

Art. 14 GG schützt im Übrigen den Bestand, sodass Eigentümer:innen grundsätzlich auf den Fortbestand gesetzmäßig erworbener Rechte vertrauen dürfen. Der Gesetzgeber trägt dementsprechend Verantwortung für einen schonenden Übergang für die Verpflichteten. Dieser Übergang könnte durch gesetzlich geregelte, ausreichend bemessene Übergangsfristen, zusätzliche oder durch Erweiterung bestehender Förderprogramme oder Härtefallklauseln, z. B. bei wirtschaftlicher Unzumutbarkeit im Einzelfall entsprechend ausgestaltet werden.

Frankreich: Finanzielle Unterstützung

Ausweislich der Wirkungsstudie[12] der Premierministerin beläuft sich die zu erwartende Gesamtinvestition (CAPEX) für die Überbauung hinsichtlich aller in den Anwendungsbereich der Regelung fallenden Parkplätze bei Annahme von Kosten in Höhe von € 1.200,- pro kW installierte Leistung auf einen Betrag zwischen € 8,1 und € 13,5 Milliarden.[13] Die Wirkungsstudie verweist in diesem Zusammenhang auf die Möglichkeit der Verpflichteten, öffentliche Fördermöglichkeiten zu beanspruchen.[14] Ferner wird auf die Option der Verpflichteten hingewiesen, dass durch die Erzeugung von Elektrizität mit den von ihnen errichteten Solaranlagen Erträge generiert werden können, um damit sowohl die Investitions-, als auch die Betriebskosten abzudecken und mögliche Gewinne zu erwirtschaften.[15] Im Rahmen der Wirkungsstudie wird exemplarisch auf ein erzielbares Jahreseinkommen in Höhe von € 102,- pro installierte Kilowattstunde bei einer Erzeugungsleistung in Höhe von 1200 kWh pro Jahr abgestellt, was zu einer normalen Rentabilität der durch die Verpflichteten zu tragenden Investitionskosten führe.[16]

Deutschland

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit kann für eine Ausweitung der PV-Pflicht auch für den Bestand sprechen, dass sich jedenfalls eine zweifache Verwertbarkeit des Grund und Bodens ergibt. Durch die installierten PV-Module wird ein demnach zusätzlicher wirtschaftlicher Wert generiert.

Hinzu kommt, dass Parkplatz-PV nach § 37 Abs. 1 Nr. 3 EEG 2023 als „besondere Solaranlage“ gilt. Da hier aufgeständerte PV-Module zum Einsatz kommen, könnte sich eine Ausweitung des zusätzlichen Bonus, der gem. § 38b Abs. 1 EEG 2023 gewährt wird anbieten, um die Wirtschaftlichkeit zu unterstützen. Bisher wird dieser zusätzliche Bonus nur für Anlagen, die (§ 37 Absatz 1 Nummer 3 e) EEG) gewährt. Hierbei handelt es sich um Anlagen, die auf Moorböden errichtet werden, die entwässert und landwirtschaftlich genutzt worden sind, wenn die Flächen mit der Errichtung der Solaranlage dauerhaft wiedervernässt werden. Bei bestehenden Parkplätzen könnte dieser zusätzliche Bonus die entstehenden Kosten (Bodenarbeiten, aufgeständerte Module etc). abzumildern.

Fazit

Eine PV-Pflicht hinsichtlich einer Vielzahl der Parkplätze würde den Ausbau der Solarenergie erheblich beschleunigen. Das Potential in Deutschland ist enorm. Insbesondere bei der Verpflichtung bezüglich Bestandsparkplätzen ist die Umsetzbarkeit wesentlich von der Verhältnismäßigkeit der PV-Pflicht abhängig. Nicht zuletzt hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung eines bundesrechtlichen Pendants können den französischen Regelungen zur PV-Pflicht wertvolle Anregungen entnommen werden. Dies betrifft die Förderung der Wirtschaftlichkeit als auch die Überlegungen zu Übergangsfristen und Härtefallklauseln.

[1] Tagesspiegel Background vom 08.02.2023.

[2] H. Wirth, Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland, Fraunhofer ISE, 18.12.2022, S. 36: https://www.ise.fraunhofer.de/content/dam/ise/de/documents/publications/studies/aktuelle-fakten-zur-photovoltaik-in-deutschland.pdf (zuletzt abgerufen am 27.02.2023).

[3] Projet de loi relatif à l’accélération de la production d’énergies renouvelables vom 26.9.2022, n° 889 Sénat: http://www.senat.fr/leg/pjl21-889.html (zuletzt abgerufen am 27.02.2023).

[4] Siehe zum Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens im Einzelnen: https://www.legifrance.gouv.fr/dossierlegislatif/JORFDOLE000046329719/ (zuletzt abgerufen am 27.02.2023).

[5] https://www.conseil-constitutionnel.fr/decisions/affaires-instances?id=32246 (zuletzt abgerufen am 27.02.2023).

[6] Texte élaboré par la commission mixte paritaire: Projet de loi relatif à l’accélération de la production d’énergies renouvelables vom 24.1.2023, n° 761 Assemblée Nationale / n° 268 Sénat: https://www.assemblee-nationale.fr/dyn/16/textes/l16b0761_texte-adopte-commission (zuletzt abgerufen am 27.02.2023).

[7] Projet de loi relatif à l’accélération de la production d’énergies renouvelables vom 26.9.2022, n° 889 Sénat, Exposé des motifs, Artikel 11: http://www.senat.fr/leg/exposes-des-motifs/pjl21-889-expose.html (zuletzt abgerufen am 27.02.2023).

[8] Siehe § 8 Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 Satz 2 Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21.7.2018, § 5 rheinland-pfälzisches Landesgesetz zur Installation von Solaranlagen vom 30.9.2021, § 8b Satz 1 Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg vom 23.7.2013, § 10 Absatz 1 Gesetz zur Energiewende und zum Klimaschutz in Schleswig-Holstein vom 7.3.2017, § 32a Abs. 3 Niedersächsische Bauordnung vom 3.4.2012, § 12 Absatz 1 Hessisches Energiegesetz vom 21.11.2012.

[9] Das Ziel für den Ausbau der Photovoltaik beträgt ausweislich des Koalitionsvertrages 2021 – 2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP ca. 200 GW bis 2030, S. 57: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1 (zuletzt abgerufen am: 27.02.2023). Im Jahre 2021 betrug die bundesweite installierte Nennleistung rund 59 GW, im ersten Erhebungsjahr 2009 rund 10,5 GW. Vgl. Daten zur installierten Nennleistung von Solaranlagen um Zeitraum von 2009 – 2021: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/13547/umfrage/leistung-durch-solarstrom-in-deutschland-seit-1990/ (zuletzt abgerufen am 27.02.2023).

[10] So wie es im Bereich der Gebäudewärme schon festgeschrieben ist, § 4 GEG.

[11] BVerfG, Beschluss vom 24.3.2021, Az.: 1 BvR 2656/18, 1 BvR 78/20, 1 BvR 96/20, 1 BvR 288/20, zweiter Leitsatz.

[12] Étude d’impact: Projet de loi relatif à l’accélération de la production d’énergies renouvelables, NOR: ENER2223572L/Bleue-1, 22.09.2022: https://www.legifrance.gouv.fr/contenu/Media/files/autour-de-la-loi/legislatif-et-reglementaire/etudes-d-impact-des-lois/ei_art_39_2022/ei_ener2223572l_cm_26.09.2022.pdf (zuletzt abgerufen am 27.02.2023).

[13] Fn. 12, Ziff. 4.2.2.

[14] Fn. 12, Ziff. 4.2.2. Einschlägige Förderprogramme werden im Rahmen der Wirkungsstudie, abgesehen von einer im Wege der Ausschreibung ermittelten Festvergütung für Solarstrom, an dieser Stelle nicht benannt. Im Rahmen der Wirkungsstudie wird die zuletzt ermittelte Festvergütung in Höhe von durchschnittlich € 85 pro MWh bei Anlagen mit mehr als 500 kWp zugrunde gelegt.

[15] Fn. 12, Ziff. 4.2.2.

[16] Fn. 12, Ziff. 4.2.2.

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