Wasserstoff: Das Schlüsselelement in der Mobilitätswende 

Der öffentliche Personennahverkehr mit Bussen soll emissionsfrei werden. Von der EU beschlossene Quoten legen fest, dass zwei Drittel der neu angeschafften Busse ab 2025 „sauber“ sein müssen. Neben derzeit noch unbezahlbaren synthetischen Kraftstoffen verspricht die Elektromobilität emissionsarme oder -freie Lösungen. Hersteller und Politik treiben in jüngster Zeit vor allem die Entwicklung batteriebetriebener Fahrzeuge voran. Insbesondere bei Bussen zeigt sich jedoch, dass die Fokussierung auf den batterieelektrischen Antrieb riskant ist. Wasserstoff hingegen bietet viele Vorteile, schreiben Simon Schäfer-Stradowsky und Dominik Dicken.

Dieser Beitrag erschien gekürzt im Tagesspiegel Background vom 11.06.2019.

Tausende Schülerinnen und Schüler gehen jeden Freitag auf die Straße, um für einen besseren Klimaschutz zu demonstrieren. Ihnen gehen die bisherigen Anstrengungen der Bundesregierung nicht weit genug. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, fordern die Aktivisten, bis 2035 die Nettonull bei den Treibhausgasen zu erreichen. Die Pläne der Bundesregierung sehen dieses Ziel erst für das Jahr 2050 vor.  

Insbesondere im Verkehrssektor sind große Anstrengungen nötig. Während die Treibhausgas-Emissionen in nahezu allen Bereichen rückläufig waren, verbleiben die Ausstöße im Verkehrsbereich auf konstant hohem Niveau. Die Kohlendioxid-Emissionen des Autoverkehrs sind zwischen 1995 und 2017 sogar um 0,5 Prozent gestiegenHersteller und Kunden geben sich gegenseitig die Schuld an der Entwicklung. Kunden fragten keine emissionsarmen Fahrzeuge nach, Autos würden daher immer größer. Die Kunden beklagen hingegen, dass es keine sparsamen Autos gäbe. Batteriebetriebene Elektroautos seien außerdem in der Anschaffung zu teuer und noch nicht ausgereift. 

Viele Verbraucher stehen der batteriebetriebene Elektromobilität kritisch gegenüber. Sie beklagen etwa die mangelnde Reichweite der Fahrzeuge, „Reichweitenangst“ nennen Experten das. Zwar lässt sich darüber streiten, ob heute leicht realisierbare Reichweiten von 150 Kilometern pro Akkuladung wirklich nicht für die meisten Einsatzszenarien ausreichten. Angesichts von durchschnittlichen Pkw-Fahrleistungen von 39 Kilometern am Tag scheint die Debatte eher mit Gefühlen statt rationalen Argumenten geführt. Nichtsdestotrotz gibt es Szenarien, in denen rationale Gründe gegen den Einsatz von batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen sprechen – beim Schwerlasttransport und im öffentlichen Personennahverkehr etwa. 

Klimafreundlicher ÖPNV 

Doch gerade hier stehen Kommunen unter erheblichem Handlungsdruck. Die Europäische Union gibt vor, dass 45 Prozent der ab 2021 neuangeschafften Busse keine klimaschädlichen Emissionen verursachen dürfen. Ab 2025 beträgt die Quote bereits 65 Prozent. Klamme Kommunen warnen jedoch davor, dass batteriebetriebene E-Busse in der Anschaffung wesentlich teurer seien als entsprechende Diesel-Fahrzeuge. Ein weiteres Manko: Die schweren batteriebetrieben E-Busse haben bis dato zu geringe Reichweiten. Mit einer Akkuladung kommen moderne Busse rund 150 Kilometer. Das deckt jedoch nur rund ein Drittel der Strecke ab, die ein herkömmlicher Linienbus etwa in Berlin durchschnittlich pro Tag fährt. Die Busse müssten also drei Mal täglich geladen werden. Da die Busse während der deutlich längeren Ladevorgänge für einige Stunden nicht einsatzbar wären, müssten die Kommunen außerdem mehrere Busse für die Routen bereithalten. Dies führt unter Umständen zu noch höheren Kosten für die Betreiber. Zudem beklagt etwa der Deutscher Städtetag, dass die Hersteller derzeit überhaupt nicht genügend Batterie-Busse produzieren könnten. 

Umso verwunderlicher ist, dass Wasserstoff-Busse bislang kaum als Lösung diskutiert werden. Die Brennstoffzellenbusse sind ebenfalls Elektrobusse, sie speichern die Energie nur nicht in Batterien, sondern in Wasserstofftanks. Die Diskussion im öffentlichen Personennahverkehr ist symptomatisch für die gesamte Mobilitätsbranche. Nach Jahren des Wasserstoff-Hypes zur Jahrtausendwende ist es ruhiger geworden um die H2-Mobilität. Dabei ist das Potenzial in spezifischen Einsatzbereiten nach wie vor sehr groß. So ist die Fahrzeug- und Infrastrukturtechnik bereits am Markt vorhanden und seit vielen Jahren erprobt. Technik- und Kostenrisiko sind gering. Außerdem lassen sich Wasserstoffbusse leicht in bestehende städtische Infrastrukturen integrieren. Anders als etwa beim Ausbau von Straßenbahnen müssen keine Schienen und Oberleitungen verlegt werden. 

Bedeutung von Wasserstoff wächst 

Insbesondere mit Voranschreiten der Energiewende und wachsender Bedeutung von Sektorenkopplung sowie Power-to-Gas Verfahren sollte Wasserstoff zurück in den Fokus der Politik und Hersteller rücken. Viele Kommunen und Gemeinden haben in der Vergangenheit in klimafreundliche CNG- und LNG-Busse investiert. Dank Biogas fahren bereits eine große Anzahl von Fahrzeugen klimaneutral. Künftig kann zusätzlich „grüner“ Wasserstoff aus Erneuerbaren konventionellem Erd- und Flüssiggas beigemischt werden. Wasserstoff ist also eine hervorragende Übergangstechnologie in eine emissionsfreie Welt. 

In Deutschland gibt es bereits rund 60 öffentlich-zugängliche H2-Tankstellen, der weitere Zubau geht jedoch nur langsam vonstatten. In den zurückliegenden Jahren wurde der Ausbau von Ladesäulen für Autobatterien priorisiert. Anders in Japan: Wasserstoff gilt als die Lösung für zukünftige Energie- und Mobilitätsfragen. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, setzt das Land auf Wasserstoff als Energieträger und investiert erheblich in die Technologie. Reichweiten und Tankzeiten, vergleichbar mit denen von konventionellen Fahrzeugen, zählen neben der Klimaverträglichkeit zu den größten Vorteilen der Wasserstoff-Fahrzeuge. Außerdem kann Wasserstoff überall gewonnen werden. 

Insbesondere mit fortschreitender Energiewende sucht die Energiewirtschaft zudem nach neuen Wegen, überschüssigen Wind- und Solarstrom nutzbar zu machen. An sonn- und windreichen Tagen werden große Mengen Energie abgeregelt oder zu Schleuderpreisen ins Ausland exportiert. Elektrolyse speichert den Strom und stellt ihn etwa für andere Sektoren zur Verfügung. Neben Wärme ist dies die Mobilität.  

Große Energieunternehmen wie Nowega, RWE, Siemens, ENERTRAG und viele weitere haben das Potenzial erkannt. Sie haben sich zur Initiative GET H2 zusammengeschlossen, an der auch unser Forschungsinstitut beteiligt ist. Gemeinsam wollen wir uns dem Aufbau einer grünen Wasserstoffinfrastruktur in Deutschland widmen. Der Wasserstoff soll in Lingen aus erneuerbaren Energien gewonnen und in vorhandene Gas-Infrastruktur eingespeist werden. Das Projekt ist Teil des Ideenwettbewerbs „Reallabore der Energiewende“ des Bundeswirtschaftsministeriums. Mit den Reallaboren fördert die Bundesregierung die Weiterentwicklung von innovativen Technologien. 

Bunter Wasserstoff 

Damit die Technologie das Vertrauen der Verbraucher gewinnt, müssen die Vor- und Nachteile der Technologie transparent kommuniziert werden. Daher ist es besonders wichtig, die Herkunft des Wasserstoffs klar zu benennen.  

Beinahe willkürlich wird Wasserstoff bislang jedoch als grau, blau, grün, gelb, braun, rot oder weiß bezeichnet. Die klimaschützende Eigenschaft hat aber nur „grüner“ Wasserstoff, der mit Strom aus erneuerbaren Quellen durch Elektrolyse gewonnen wird. Mehrheitlich wird Wasserstoff aktuell aus fossilen Energieträgern hergestellt, zum Beispiel aus Erdgas. Dieser wird je nach Belieben als grauer oder blauer Wasserstoff vermarktet. Bei Benutzung fossiler Energieträger fallen jedoch in der Regel Treibhausgase an. Klima- und umweltfreundlich ist das nicht. Etwas abgeschwächt gilt das auchwenn anfallendes Kohlendioxid mittels Carbon Capture and Storage (CCS) unterirdisch gelagert wird. 

Soll die Farbpalette eigentlich helfen, die verschiedenen Varianten der Wasserstoffgewinnung einzuordnen, verwirrt sie Politik und Verbraucher zumeist nur. Die Branche sollte sich daher schnellstmöglich auf eine einheitliche Farbpalette entlang der emissionsmindernden Wirkung einigen und diese als Basis rechtlicher Weiterentwicklungen nehmen 

Um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen, sollte im nächsten Schritt vornehmlich emissionsfreier Wasserstoff gefördert werden. Die Bundesregierung signalisiert dazu ihre Bereitschaft, wie die Schaffung der Reallabore verdeutlicht. So kann der Markt neue Ertragsmodelle finden. Der Gesetzgeber sollte seinerseits vorhandene regulatorische Hemmnisse abbauen und so den Weg für den Ausbau und die Marktetablierung von Wasserstoff eben. Neben Reallaboren geben beispielsweise Experimentierklauseln den Marktteilnehmern die Planungs- und Rechtssicherheit in die Wasserstoffinfrastruktur zu investieren.  

Die Zukunft fährt elektrisch: Wasserstoff und Batterien sind wichtige Bausteine der Verkehrswende. In einigen Einsatzbereichen wird Wasserstoff der Energieträger erster Wahl. Batteriebetriebe Fahrzeuge können ihre Vorteile in anderen Einsatzszenarien ausspielen. Wichtig ist, dass die Politik alternative Antriebe technologieoffen fördert. Auch dürfen wir unsere Kommunen bei den Herausforderungen der Verkehrswende nicht alleinlassen. Mit Blick auf die ehrgeizigen EU-Vorgaben benötigen wir attraktive Rahmenbedingungen – sowohl von Seiten der Politik als auch der Hersteller. 

Autoren

Simon Schäfer-Stradowsky
Magazinstraße 15-16 | D-10179 Berlin
Tel. +49 (0)30 40 81 87 010
simon.schaefer-stradowsky@ikem.de

Dominik Dicken
Magazinstraße 15-16 | D-10179 Berlin
Tel. +49 (0)30 40 81 87 017
dominik.dicken@ikem.de

 

Kontakt

Dr. Simon Schäfer-StradowskyQuelle: IKEM/Jule Halsinger

IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.