Der Windbranche droht der Rückbau

Wenn bei den vielen Windenergieanlagen in Deutschland die 20-jährige Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ausläuft, haben ihre Betreiber ein Problem: Die Börsenstrompreise sind zu niedrig, um die Windräder rentabel weiterlaufen zu lassen. Deshalb sollte der Gesetzgeber aktiv werden, um Grünstrommodelle wirtschaftlich zu machen. 

Für Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von insgesamt etwa 4,5 Gigawatt endet der 20-jährige Förderzeitraum des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) im Jahre 2020. Auch in den Folgejahren sind Anlagen in erheblichem Umfang betroffen. Ob die Anlagen danach noch weiterbetrieben werden, hängt wesentlich von wirtschaftlichen Erwägungen der Betreiber ab.

Aus dem Tagesspiegel Background vom 24. August 2018.

Ein Weiterbetrieb der Windkraftanlagen ohne finanzielle EEG-Förderung wird in aller Regel nur in Betracht gezogen, wenn die Einnahmen die Kosten übersteigen. Legt man die aktuellen Börsenstrompreise zugrunde, dürfte ein Weiterbetrieb trotz Fortbestand vieler EEG-Privilegien nur im Einzelfall kostendeckend sein. Es braucht daher alternative Erlösoptionen. Das IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität – spricht sich für die Entwicklung regionaler Grünstrommärkte aus, auf denen Anlagenbetreiber ihren „grünen“ Strom lokal vermarkten. Positive Nebeneffekte: Regionale Wertschöpfung wird ermöglicht, und die Akzeptanz für Erneuerbare-Energien-Anlagen gesteigert.

Bislang regelt das EEG die Zahlungsansprüche, die sich für Wind im Wesentlichen aus der Differenz zwischen den Stromgestehungskosten für erneuerbaren Strom und den Markterlösen ergeben. So soll die Marktintegration gelingen und der Ausbau der Erneuerbaren vorangetrieben werden. Neben den Zahlungsansprüchen sieht das EEG den privilegierten Netzanschluss,Netzerweiterungen, den Einspeisevorrang und den Erstattungsanspruch bei Erlösausfällen infolge von Abregelungen durch den Netzbetreiber vor. Die Zahlungsansprüche nach dem EEG sind gemäß § 25 EEG 2017 auf 20 Jahre begrenzt. Für Anlagen, die im Jahr 2000 oder davor in Betrieb genommen wurden,endet der Förderzeitraum 2020.

Speziell für Windenergieanlagen an Land stellt sich die Frage nach dem „Ob“ und „Wie“ eines EEG-ungeförderten Anschlussbetriebs somit schon bald. Ein Rückbauin dieser Größenordnung hätte spürbar negativen Einfluss auf das Erreichen der Energiewendeziele. Nach 20 Jahren sind in der Regel Modernisierungen und neue Betriebsgenehmigungen erforderlich. Diesen Maßnahmen stehen häufig bau- und planungsrechtliche Hürden im Weg oder die Flächenverfügbarkeit für den Weiterbetrieb ist nicht gegeben, weil Pachtverträge nicht verlängert werden.

Kann diese Hürde genommen werden, hat das Fortbestehen der übrigen Privilegien des EEG eine erhebliche Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit: Aufrechterhaltung des Netzanschlusses, Vorrang der Einspeisung sowie Netzerweiterung bleiben auch nach Auslaufen der finanziellen Förderung bestehen. Anders als beim Zahlungsanspruch ist hier keine ausdrückliche Befristung normiert. Erstere beruhen zudem auf EU-Vorgaben ohne zeitliche Einschränkung, hinter denen der nationale Gesetzgeber grundsätzlich nicht zurückbleiben kann. Hinsichtlich des Erstattungsanspruchs bei Abregelungen herrscht jedochRechtsunsicherheit. Gute Gründe sprechen für einen Erhalt des Anspruchs, zumindest, solange der Netzausbau nicht zügig genug vorangeschritten ist, um die EE-Einspeisung grundsätzlich zu gewährleisten.

Dennoch ist angesichts von aktuellen Börsenstrompreisen zwischen drei und vier Cent je Kilowattstunde am Day-Ahead-Markt sehr fraglich, ob die Betreiber unter diesen Rahmenbedingungen Erlöse am Markt erzielen können, die wenigstens die Stromgestehungskosten decken.

Gesucht werden deshalb innovative Vermarktungskonzepte, die realistische Mehrerlöschancen gegenüber dem Börsenstrompreis bieten. Ansatzpunkte für die Vermarktung sind die „grüne“ Eigenschaft des Windstroms sowie die regionale Erzeugung. So könnte eine eindeutige Zuordnung von Strommengen zu einererneuerbaren Energiequelle aus der Region den Marktwert dieses Stroms steigern.

Eine Studie zur Regionalen Grünstromvermarktung ist im Kopernikus-Forschungsprojekt „ENavi“ entstanden. In einer Studie zur Direktvermarktung im B2B-Bereich sowie über die Projektplattform Lokale Energie untersucht das IKEM, wie diese Vermarktung praktisch umgesetzt werden kann: Beispielsweise könnte eine bilanzkreisgestützte Veräußerungsform unter Nutzung sortenreiner Bilanzkreise für Strom aus erneuerbaren Energien implementiert werden. So können auch Bürger vor Ort an neuartigen Geschäftsmodellen beteiligt werden.

Momentan lassen sich Grünstrommodelle nicht wirtschaftlich darstellen. Der Weiterbetrieb der Anlagen im Sinne des Klimaschutzes könnte durch den Staat als Betreiber sichergestellt werden und die Betriebskosten etwa durch Einnahmen aus dem Emissionshandel gedeckt werden – angesichts hoher finanzieller Risikenkeine sehr aussichtsreiche Lösung.

Stattdessen sollte der Gesetzgeber normativ tätig werden, damit sich Grünstrommodelle wirtschaftlich darstellen lassen. Es sollten bilanziell „grüne“ Strommengen physikalischen Strommengen gleichgestellt werden. Außerdem sollte der Gesetzgeber zur Förderung des Weiterbetriebs klarstellen, dass der Anspruch auf Entschädigung bei Abschaltung durch den Netzbetreiber fortbesteht und so die notwendige Investitionssicherheit schaffen.

Autor

Simon Schäfer-Stradowsky
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