Bericht von der COP28

„Ein Abkommen ist nur so gut wie seine Umsetzung“

COP-Panel

Ievgeniia Kopytsia, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IKEM und Mitglied des neu gegründeten Europe Ukraine Energy Transition Hub (EUETH), nahm an der COP28 in Dubai teil. In einem Interview gibt sie Einblicke in die Konferenz und ihre Ergebnisse sowie deren Auswirkungen auf die Ukraine.

Was war deine Rolle bei der COP28 in Dubai?

Ich habe bei der COP in einer Doppelrolle als Vertreterin des IKEM und als Mitglied der ukrainischen Delegation fungiert. Ich habe aktiv an offiziellen Regierungsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen teilgenommen, die den Umwelt- und Klimafolgen des Krieges in der Ukraine sowie den Bemühungen des Landes um einen umweltfreundlichen Wiederaufbau gewidmet waren – darunter auch das Side-Event unseres Europe Ukraine Energy Transition Hub im ukrainischen Pavillon.

Wie war die Atmosphäre vor Ort?

Trotz der Kontroversen und Skepsis im Vorfeld der COP28 herrschte insbesondere bei der Ankündigung des Loss and Damage Fund am ersten Tag ein spürbarer Optimismus. Die positive und feierliche Atmosphäre gab mir das Gefühl, Zeugin eines historischen Moments zu sein.

Mit dem Fortschreiten der COP wurde die anfängliche Zuversicht ein wenig getrübt. Selbst abseits des Verhandlungsraums war eine Veränderung der Stimmung spürbar. Die OPEC drängte auf die Ablehnung jeglichen Textes, der sich auf fossile Brennstoffe anstatt auf Emissionen konzentrierte, während Klimaaktivist:innen zunehmend selbstbewusster und fordernder auftraten.

Auf der COP28 wurde die erste globale Bestandsaufnahme diskutiert, die ergab, dass die Welt nicht auf Kurs ist, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Auf welche Maßnahmen haben sich die Verhandlungsführer:innen geeinigt?

Der „ratchet mechanism“ des Pariser Abkommens sieht vor, dass die Bestandsaufnahme explizit darauf abzielt, die Ambitionen im Bereich des Klimaschutzes zu erhöhen. Daher wurde erwartet, dass der Text klare Formulierungen zu Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung oder Verringerung von „unverminderten“ fossilen Brennstoffen enthalten würde. Während der Verhandlungen entfachte jedoch eine kontroverse Diskussion über die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung sowie „verminderte“ fossile Brennstoffe. Diese Diskussion konzentrierte sich auf den „Ausstieg aus fossilen Brennstoffen“ versus den „Ausstieg aus den Emissionen fossiler Brennstoffe“. Das Abschlussdokument richtet nun die Forderung an alle Länder, zum „Übergang weg von fossilen Brennstoffen“ beizutragen.

Welche weiteren Ergebnisse hat die COP28 geliefert?

Die COP28 brachte eine Welle neuer internationaler Verpflichtungen mit sich, darunter die Bekämpfung der Emissionen von Öl- und Gasunternehmen, die Verdreifachung der Investitionen in erneuerbare Energien, die Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2030, die Verbesserung der Lebensmittelsysteme und die Erkundung von Möglichkeiten zur besseren Integration von Maßnahmen gegen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt auf globaler Ebene.

Wie ordnest du die Ergebnisse ein?

Das Abschlussdokument der COP28 enthält mehrere wichtige Meilensteine für den Klimaschutz, wie das Gebot, die globale Erderwärmung auf 1,5°C zu begrenzen, das ehrgeizige Ziel, die globale Kapazität für erneuerbare Energien bis 2030 zu verdreifachen, und die Forderung nach einem Übergang weg von fossilen Brennstoffen, um bis 2050 netto null Emissionen zu erreichen. Aus meiner Perspektive erscheint dies umfassend und vielversprechend. Man könnte es sogar als historischen Moment bezeichnen. Allerdings gab es in den vergangenen Klimaverhandlungen bereits zu viele historische Momente. Um COP28-Präsident Al Jaber zu zitieren: „Ein Abkommen ist nur so gut wie seine Umsetzung.“ Worte müssen nun in Taten umgesetzt werden. Und für mich bedeutet das, Worte in Gesetze zu übersetzen.

Technisch betrachtet endete COP28 mit zahlreichen Schlupflöchern und ungelösten Problemen. Insbesondere die erste globale Bestandsaufnahme erfüllte nicht die Erwartungen und umfasste nicht die erforderlichen Maßnahmen zur Schließung der Emissions- und Anpassungslücken. Der Loss and Damage Fund wird zwar durch Zusagen in Höhe von 700 Millionen US-Dollar unterstützt, jedoch sind mindestens 100 Milliarden US-Dollar erforderlich, und bis 2030 wird diese Zahl auf jährlich 300 Milliarden US-Dollar ansteigen. Darüber hinaus kam es nicht zu dem erwarteten Abkommen über einen Mechanismus für den Kohlenstoffhandel, der Standards für den Kohlenstoffkreditmarkt unterstützen und wesentliche Regeln für die Genehmigung von Ausgleichsprojekten in einem zentralisierten System der Vereinten Nationen festlegen sollte.

Welche Auswirkungen haben die Ergebnisse der COP28 für die Ukraine?

Die Ukraine hat sich nachdrücklich dem Ziel verschrieben, bis 2050 netto null Emissionen zu erreichen, steht jedoch vor wirtschaftlichen Einschränkungen und ist anfällig für Marktschwankungen bei fossilen Brennstoffen. Das Fehlen einer ausdrücklichen Verpflichtung zum Ausstieg aus oder zur Reduzierung von fossilen Brennstoffen im Abschlussdokument ist daher für die Ukraine besorgniserregend.  

Das UNFCCC-Regime verfügt auch nicht über einen Mechanismus zur Bewältigung der Herausforderungen, denen von Kriegen betroffene Länder gegenüberstehen. Ein wichtiges, aber oft übersehenes Problem ist die fehlende Rechenschaftspflicht des Aggressors in Bezug auf Klima- und Umweltschäden. Nach Angaben des ukrainischen Ministeriums für Umweltschutz und natürliche Ressourcen wurden seit Beginn der russischen Invasion mindestens 150 Millionen Tonnen CO2eq in die Atmosphäre freigesetzt, die in direktem Zusammenhang mit der bewaffneten Aggression stehen. Hinzu kommt eine voraussichtliche Freisetzung von 50 Millionen CO2eq-Tonnen durch den Wiederaufbau der beschädigten Infrastruktur und Wohngebäude. Die Umweltschäden, die durch diese kriegsbedingten CO2-Emissionen verursacht werden, belaufen sich auf 10 Milliarden US-Dollar und stellen möglicherweise einen Verstoß gegen die globalen Klimaverpflichtungen dar.

Welche Lehren ergeben sich für die COP29 in Aserbaidschan?

Der ungelöste Konflikt mit den OPEC-Staaten unterstreicht, dass die Verhandlungsführer:innen einen strategischen und nuancierten Ansatz verfolgen müssen, der die geopolitischen Auswirkungen, insbesondere auf die vom Erdöl abhängigen Volkswirtschaften, berücksichtigt, um erfolgreich zu Vereinbarungen zu gelangen. Das Gleichgewicht zwischen der Abkehr von fossilen Brennstoffen und der geopolitischen Stabilität sowie die Bewältigung weiterreichender Folgen sollten im Mittelpunkt der Diskussionen und Entscheidungen auf der COP29 stehen.

Wie bringt sich das IKEM bei der COP ein?

Als anerkannte NGO bei den Vereinten Nationen engagiert sich das IKEM seit vielen Jahren aktiv bei der COP. In der Regel sind wir mit einer kleinen Delegation vor Ort und organisieren ein Side-Event zu einem unserer aktuellen Schwerpunkte – in diesem Jahr war das der Wiederaufbau und die Transformation des ukrainischen Energiesektors. Zusätzlich nehmen wir an Briefings und Side-Events teil, wo wir uns mit internationalen Expert:innen austauschen und unsere Vorschläge für einen ambitionierten Klimaschutz einbringen. 

Kontakt

IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.