Neuer Band der IKEM-Schriftenreihe erschienen

Verfahrensprivilegierung und Akzeptanz zusammendenken

Netzbooster Kupferzell

Im Verlag Springer ist die dritte Ausgabe der IKEM-Schriftenreihe erschienen. Die Dissertation von Dr. Ilka Dörrfuß befasst sich am Praxisbeispiel „Netzbooster“ mit einer zentralen Herausforderung von Klimaschutz und Energiewende: Wie können dringend notwendige Maßnahmen zügiger umgesetzt werden, ohne dabei die gesellschaftliche Akzeptanz zu gefährden?

Energiewendeprojekte und andere Klimaschutzmaßnahmen werden in Deutschland oftmals durch lange Verfahrenszeiten ausgebremst. Das gilt auch für die sogenannten Netzbooster, also große Batteriespeicher, die die zunehmend auf erneuerbaren Energien basierende Stromversorgung stabilisieren und den Bedarf für den Bau zusätzlicher Nord-Süd-Stromtrassen reduzieren sollen. Der Bau von Netzbooster-Pilotanlagen wurde im Februar 2019 angekündigt, die Planungs- und Genehmigungsverfahren laufen bis heute.

In ihrer rechtswissenschaftlichen Arbeit befasst sich Dr. Ilka Dörrfuß daher mit der Frage, wie sich Netzbooster genehmigungsrechtlich fördern und somit schneller errichten lassen. Hierfür hat sie bestehende Verfahrensprivilegierungen, unter anderem aus den Bereichen Infrastruktur, Raumordnung und Baurecht, analysiert sowie deren Übertragbarkeit auf Netzbooster untersucht. Die Autorin kommt zu der Einschätzung, dass eine weitere Förderung klima- und gemeinwohlorientierter Vorhaben möglich ist, jedoch keine weiteren Spezialverfahren für akute Herausforderungen geschaffen werden sollten. Vielmehr spricht sich die Autorin für eine Vereinheitlichung und Verbesserung des Verfahrensrechts aus. In einem solchen System könnten die Vorhaben zum Beispiel über die Einstufung als verfahrensfrei oder einem vereinfachten Verfahren unterfallend besonders privilegiert werden.

Zusätzlich beleuchtet die Arbeit den Aspekt der öffentlichen Akzeptanz für die Verfahren, deren Dauer sich auch durch Proteste und Bürger:innen-Initiativen wie beim Netzbooster-Standort in der baden-württembergischen Gemeinde Kupferzell erheblich verzögern kann. Die Autorin stellt heraus, dass die unmittelbare Verfügbarkeit von relevanten Informationen, transparente Prozesse sowie Möglichkeiten zum Mitgestalten und -entscheiden im konkreten Fall zu mehr Akzeptanz beigetragen hätten. Eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung sei jedoch bisher kein verpflichtender Bestandteil der Verfahren. Sie empfiehlt daher, ein einheitliches Beteiligungsformat für Infrastrukturvorhaben auf Bundesebene zu schaffen, über das die Bürger:innen frühzeitig und umfassend eingebunden werden. Vorbild hierfür könne die französische débat public (öffentliche Debatte) sein.

„Ausgehend vom Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber zuletzt immer mehr Energiewende-Anlagen als im überragend öffentlichen Interesse liegend definiert – so auch Batteriespeicher in § 11c EnWG. Ob diese Einstufung die Planungs- und Genehmigungsverfahren nachhaltig beschleunigt, muss sich zeigen. Die Arbeit von Ilka Dörrfuß macht deutlich, dass die reine Verfahrensprivilegierung nicht ausreicht, um die Energiewende voranzubringen – die Akzeptanz vor Ort und andere Aspekte gesellschaftlicher Teilhabe müssen immer mitgedacht werden“, sagt Prof. Dr. Michael Rodi, IKEM-Direktor und Herausgeber der IKEM-Schriftenreihe.

„Ich freue mich über diesen hervorragenden Beitrag zur IKEM-Schriftenreihe, der unterstreicht, dass Akzeptanzförderung und schnelle Verfahren nicht im Widerspruch zueinander stehen müssen. Eine ernsthafte, gut strukturierte und von einer unabhängigen Stelle durchgeführte Öffentlichkeitsbeteiligung nach französischem Vorbild könnte Bedenken und Wünsche der Bevölkerung bereits in den ersten Phasen eines Infrastrukturvorhabens adressieren. Das erfordert Zeit und Ressourcen, führt jedoch zu rechtssicheren Ergebnissen, mehr Akzeptanz vor Ort und letztlich zu kürzeren Verfahren“, ergänzt Mitherausgeber Dr. Simon Schäfer-Stradowsky.

Über die Autorin:

Ilka Dörrfuß studierte Rechtswissenschaften an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und absolvierte eine Station ihres Referendariats am IKEM. Ihre Promotion erfolgte an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Derzeit ist sie in der Landesverwaltung des Landes Baden-Württemberg tätig.

Kontakt

Prof. Dr. Michael RodiQuelle: IKEM/Jule Halsinger
Dr. Simon Schäfer-StradowskyQuelle: IKEM/Jule Halsinger

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Dennis Nill

Dennis Nill

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IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.