IKEM-Stellungnahme

Nationale Wasserstrategie

Wasserfall

Bei der heutigen Kabinettssitzung hat die Bundesregierung die Nationale Wasserstrategie beschlossen. Das Strategiepapier beschreibt Ziele und Maßnahmen, die bis 2050 den Schutz der Wasserressourcen und die Wasserversorgung sicherstellen sollen. Das IKEM begrüßt die ambitionierte Zielstellung und die Breite der mit der Strategie verfolgten Themen, sieht jedoch auch Nachbesserungsbedarf – etwa bei der Benennung konkreter Maßnahmen sowie deren Umsetzung, Machbarkeit und Finanzierung.

Hintergrund

Am 15. März 2023 hat das Bundeskabinett die vom Bundesministerium für Umwelt. Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) federführend erarbeitete Nationale Wasserstrategie beschlossen.[1] Darin werden die Herausforderungen für den Schutz der natürlichen Wasserressourcen, den nachhaltigen Umgang mit Wasser und die Sicherstellung der Wasserversorgung bis zum Jahr 2050 beschrieben und die hierzu notwendigen Maßnahmen formuliert. Der Beschluss ist das Ergebnis eines mehrjährigen Erarbeitungsprozesses unter Beteiligung zahlreicher Stakeholder und Bürger:innen.

Die Strategie gliedert sich in zehn strategische Themenbereiche, in denen jeweils die aktuellen Herausforderungen für die Realisierung des jeweiligen Themas, die anvisierten Ziele für das Jahr 2050 und die zu diesem Zweck erforderlichen Maßnahmen erläutert werden. Die zehn Themenbereiche zielen v.a. darauf ab, eine nachhaltige und klimasensible Gewässerbewirtschaftung zu erreichen und eine gerechte und langfristige Wasserversorgung zu sichern.[2] Dazu wurde ein sog. Aktionsprogramm Wasser mit insgesamt 78 Maßnahmen erarbeitet.[3] Die Maßnahmen des Aktionsplans sollen bis 2030 umgesetzt und daher überwiegend schon bis zum Jahr 2025 begonnen werden.

Zur Koordinierung und Begleitung der Umsetzung der Strategie soll eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt werden, an der auch die Länder beteiligt werden. Diese soll im Zyklus der Überprüfung der Bewirtschaftungspläne nach der Wasserrahmenrichtlinie[4] alle sechs Jahre einen Umsetzungsbericht vorlegen. In dem Bericht soll über den aktuellen Umsetzungsstand informiert und die notwendigen Schritte zur Weiterentwicklung der Strategie beschrieben werden.[5]

Bewertung durch das IKEM

Die Nationale Wasserstrategie ist ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung hin zu einem klimasensiblen Wassermanagement. Um die Gewässer nachhaltig zu schützen, die Wasserversorgung sicherzustellen sowie zukünftig durch den Klimawandel ggf. entstehende Verteilungskonflikte zu lösen, ist eine bundeseinheitliche Zielsetzung mit hinreichend konkreten und auch kurzfristig realisierbaren Maßnahmen unabdingbar. Begrüßenswert ist daher grundsätzlich die Breite der Themenfelder und der in der Strategie verankerte integrative Ansatz. So geht die Strategie über den Bereich der Wasserwirtschaft hinaus, indem sie Synergien zwischen verschiedenen Politik- und Regelungsbereichen schaffen und Akteur:innen außerhalb der Wasserwirtschaft einbinden soll.

Nachbesserungsbedarf sieht das IKEM dagegen in einigen Bereichen, in denen es trotz ambitionierter Zielstellungen an der Formulierung von hinreichend konkreten Maßnahmen, Angaben zur Umsetzung bzw. Machbarkeit dieser Maßnahmen und zur Finanzierung fehlt.

Regenwassermanagement und Schwammstädte

Die Nationale Wasserstrategie formuliert zwar grundsätzlich wichtige Zielstellungen im Hinblick auf den hohen Versiegelungsgrad von Flächen, die hierdurch im urbanen Raum bedingte Überflutungsgefahr und das urbane Regenwassermanagement. Zu begrüßen ist hier v.a., dass die derzeit noch bestehende Regelungslücke der fehlenden Risikoausweisung für niederschlagsbedingte Überflutungen abseits von Oberflächengewässern durch die Entwicklung von Gefahren- und Risikokarten für Starkregen geschlossen werden soll.[6]

Im Hinblick auf die Entwicklung von sog. Schwammstädten fehlt es allerdings an hinreichend konkreten Maßnahmen, mit denen eine wassersensible Bebauung im Bestand durchgesetzt werden kann. Zwar enthält die Strategie hierzu zahlreiche Zielvorgaben und unterscheidet selbst deutlich zwischen Bestand und Neubau,[7] im weiteren Verlauf wird allerdings nicht deutlich genug, wie diese Zielvorgaben – bis auf die Einrichtung von kommunalen Beratungsstrukturen[8] – konkret im Bestand durchgesetzt werden sollen. Gerade im Bestand werden aber zahlreiche Veränderungen für eine durchgängig wassersensible Bebauung, den urbanen Überflutungs- und Hitzeschutz notwendig sein.

Grundwassermanagement

Auch im Hinblick auf das Grundwassermanagement sind die anvisierte verstärkte Kontrolle von Niedrigwasser, die Entwicklung eines Grundwasser-Echtzeitmonitorings, der Abbau von Ausnahmen von der Erlaubnispflicht bei Grundwasserentnahmen nach § 46 Abs. 1 WHG und die Erfassung und transparente Offenlegung der tatsächlichen Wasserentnahmen durch ein Wasserregister grundsätzlich begrüßenswert.[9]

Fraglich bleibt aber, wie die Erfassung der tatsächlichen Entnahmemengen gerade bei Entnahmen auf privaten Grundstücken faktisch umgesetzt werden soll. So werden auch die bislang § 46 Abs. 1 WHG unterfallenden und damit bloß anzeigepflichtigen Grundwasserentnahmen für den häuslichen Gebrauch derzeit nicht ausreichend kontrolliert. Gegebenenfalls wird es auch nicht bei einer nach der Strategie anvisierten „Bagatellgrenze“ bleiben können, sondern der vollständige Wegfall der Ausnahmen nach § 46 Abs. 1 WHG notwendig sein.

Nutzungspriorisierung

Nachbesserungsbedarf besteht auch im Hinblick auf das Konzept zur Nutzungspriorisierung. Positiv hervorzuheben ist zwar grundsätzlich, dass – im Gegensatz zum Entwurf von Juli 2021 – deutlichere Zielvorgaben für ggf. notwendige Priorisierungsentscheidungen getroffen werden. So soll mit einer bundesweit abgestimmten Leitlinie ein einheitlicher Orientierungsrahmen geschaffen werden, anhand dessen regionale Priorisierungsentscheidungen getroffen werden. Ergänzend sollen Regeln und Kriterien für Nutzungspriorisierungen beispielsweise im Falle von temporärer Wasserknappheit erarbeitet werden.[10]

Allerdings soll der Orientierungsrahmen „sicherstellen […], dass jederzeit ausreichende, möglichst ortsnahe Ressourcen für die Trinkwasserversorgung und andere prioritäre Nutzungen zum Wohl der Allgemeinheit zur Verfügung stehen“.[11] Was andere prioritäre Nutzungen zum Wohl der Allgemeinheit sind, wird dagegen nicht weiter erläutert. Offen bleibt daher, wer eine prioritäre Nutzung beanspruchen kann. So wird beispielsweise hinsichtlich zu erarbeitender Wasserversorgungskonzepte auch die Bereitstellung der für die Erzeugung von Nahrungs- und Futtermitteln erforderlichen Wassermengen genannt.[12] Hier hätte der absolute Vorrang der Trinkwasserversorgung deutlicher formuliert werden sollen.

Der Konflikt um eine gerechte Priorisierung wird auch an anderer Stelle deutlich. Er beschränkt sich nicht auf die Verteilung von Wasser, sondern beeinflusst auch die Vorgaben zu Stoffeinträgen. So wurde beispielsweise bereits im Nationalen Wasserdialog festgelegt, dass in landwirtschaftlichen Betrieben bis 2030 deutschlandweit maximal zwei Großvieheinheiten pro Hektar gehalten werden sollten;[13] eine konkrete Vorgabe, die auch noch im Entwurf der Nationalen Wasserstrategie vom 25. November 2022 zu finden ist.[14] In der aktuellen Nationalen Wasserstrategie ist sie dagegen nicht mehr enthalten. Stattdessen soll sich allgemein die Entwicklung der landwirtschaftlichen Tierbestände an der Fläche orientieren und „in Einklang mit den Zielen des Klima-, Natur-, Gewässer- und Emissionsschutzes gebracht[15] werden.

Herstellerverantwortung

Offene Fragen bleiben auch im Hinblick auf die sog. erweiterte Herstellerverantwortung. Zu begrüßen ist grundsätzlich die hierdurch erfolgende konsequente Umsetzung des umweltrechtlichen Verursacherprinzips. Hersteller und Inverkehrbringer von umweltschädlichen Stoffen oder Produkten werden dadurch zukünftig zur Beseitigung der Belastung der Gewässer entlang der gesamten Wertschöpfungskette beitragen.[16]

Diesbezüglich hat die EU-Kommission im Oktober 2022 einen Entwurf zur Änderung der Kommunalabwasserrichtlinie veröffentlicht, in der ebenfalls eine neue erweiterte Herstellerverantwortung eingeführt wird.[17] Durch hierdurch generierte finanzielle Mittel kann die anvisierte sog. vierte Reinigungsstufe zur Reinigung des Abwassers von Spurenstoffen finanziert werden.[18] Während die Nationale Wasserstrategie allerdings nicht nach Branchen unterscheidet, bezieht sich der Kommissionsentwurf bislang lediglich auf die Arzneimittel- und Kosmetikbranche.

Da die Strategie darauf verweist, dass – aufgrund von Wettbewerbsnachteilen – eine Regelung auf EU-Ebene angestrebt wird, ist fraglich, ob und inwieweit in Deutschland auch weitere Branchen einbezogen werden. Zudem begnügt sich die Strategie damit, auf eine breite Instrumentenpalette[19] zur Finanzierung durch die Hersteller zu verweisen. Diesbezüglich hätten die möglichen Finanzierungsmodelle noch deutlicher herausgearbeitet werden können.

Finanzierung

Generell fehlen in der Wasserstrategie an vielen Stellen Angaben zur Finanzierung der jeweiligen Maßnahmen. Grundsätzlich begrüßenswert ist diesbezüglich die anvisierte bundesweite Weiterentwicklung von Wasserentnahmeentgelten,[20] die bislang nicht in allen Bundesländern anfallen, wodurch vor allem Großverbraucher profitieren. Der siebte Themenbereich, der u.a. die Sicherstellung der Finanzierung umfasst,[21] legt ansonsten lediglich fest, dass „[a]ktuelle und sich abzeichnende Finanzierungslücken […] zu identifizieren und Vorschläge für die zukünftige ausreichende Sicherstellung von wasserwirtschaftlichen Aufgaben zu entwickeln[22] seien. Konkrete Angaben werden nur zur Auflage eines Bundesprogramms im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz getroffen. In Zukunft sollten für die jeweiligen Maßnahmen bereits die anvisierten Finanzierungsmöglichkeiten dargelegt und der Finanzierung, die letztlich unabdingbar für die Realisierung der ambitionierten Nationalen Wasserstrategie ist, größerer Raum eingeräumt werden.

[1] BMUV, Nationale Wasserstrategie – Kabinettsbeschluss vom 15. März 2023 (2023).

[2] Nationale Wasserstrategie, S. 15ff.

[3] Nationale Wasserstrategie, S. 82 ff. Der erste Entwurf des BMUV von Juni 2021 enthielt dagegen lediglich 57 Maßnahmen, vgl. Entwurf für eine Nationale Wasserstrategie (2021), S. 56 ff.

[4] Art. 13 Abs. 7 der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (2000), Abl. L 327, S. 1.

[5] Nationale Wasserstrategie, S. 10.

[6] Vgl. Nationale Wasserstrategie, S. 102f., Maßnahme 51.

[7] Nationale Wasserstrategie, S. 29.

[8] Vgl. Nationale Wasserstrategie, S. 89ff., Maßnahme 19.

[9] Vgl. Nationale Wasserstrategie, S. 25f und S. 83f.

[10] Nationale Wasserstrategie, S. 24.

[11] Nationale Wasserstrategie, S. 24.

[12] Nationale Wasserstrategie, S. 24.

[13] BMU, Kernbotschaften, Ergebnisse und Dokumentation des Nationalen Wasserdialogs (2020), S. 36.

[14] BMUV, Entwurf für eine Nationale Wasserstrategie (2022), S. 30 und S. 90, Maßnahme 39.

[15] Nationale Wasserstrategie, S. 96f., Maßnahme 39.

[16] Nationale Wasserstrategie, S. 45 und S. 96, Maßnahme 37.

[17] Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Behandlung von kommunalem Abwasser (Neufassung), COM/2022/541 final.

[18] Nationale Wasserstrategie, S. 95f., Maßnahme 36.

[19] Nationale Wasserstrategie, S. 10, vgl. auch S. 45 und S. 96 Maßnahme 37.

[20] Nationale Wasserstrategie, S. 86, Maßnahme 11.

[21] Nationale Wasserstrategie, S. 59ff. und S. 105ff.

[22] Nationale Wasserstrategie, S. 65.

Kontakt

Judith Schäfer-GendrischQuelle: IKEM/Jule Halsinger

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