IKEM-Jahrestagung 2022

IKEM-Geschäftsführerin Susan Wilms bei der IKEM-Jahrestagung 2022

Mit Blick auf die anstehende COP27 in Sharm el-Sheikh widmete sich die IKEM-Jahrestagung am 11. Oktober 2022 den globalen Dimensionen von Klimaschutzrecht und -politik. Vorträge renommierter Forscher:innen und der Austausch mit Vertreter:innen aus Politik und Praxis verdeutlichten die Bedeutung der anstehenden Klimaverhandlungen für den globalen Klimaschutz. Die Veranstaltung startet am Vormittag als rechtswissenschaftliche Tagung zum internationalen Klimarahmen und zur Bewältigung von Rechtsstreitigkeiten mit Klimabezug. Am Nachmittag folgten Vorträge und Diskussionen zur internationalen Klimapolitik in Zeiten von Krieg und Krisen.

IKEM-Direktor Prof. Dr. Michael Rodi eröffnete die Jahrestagung mit einem Ausblick auf die Bedeutung der Klimaverhandlungen in Ägypten und die Präsenz des IKEM bei der COP. Sowohl die Jahrestagung als auch das Engagement bei der COP verdeutlichten den Stellenwert des internationalen Austauschs für die Arbeit des Instituts. Die Internationalisierung des IKEM wurde im vergangenen Jahr durch Partnerschaften mit Forschungseinrichtungen auf der ganzen Welt ausgebaut. Zuletzt wurden Kooperationsvereinbarungen mit den Universitäten und Partnerinstituten in Alicante (Spanien), Glasgow (Schottland), Vaasa (Finnland), Sao Paulo (Brasilien), Charkiw (Ukraine) und mit dem MIT (USA) getroffen.

Der erste Vortrag stammte von Prof. Dr. Christina Voigt (Universität Oslo), die ihre Erwartungen an die COP aus rechtlicher Perspektive vorstellte. Sie erhofft sich stärkere Ambitionen bei den NDCs und wünscht sich einen Synthesebericht zum Stand der kollektiven Anstrengungen der Vertragsparteien beim Klimaschutz. Als Co-Vorsitzende des Pariser Implementation and Compliance Committee gewährte sie außerdem Einblicke in die Arbeit und Bedeutung dieses Gremiums, welches dafür zuständig ist, die Umsetzung und Einhaltung des Pariser Abkommens zu prüfen.

Dr. Kathleen Pauleweit (IKEM) befasste sich mit den Grundlagen zivilgesellschaftlicher Partizipation im internationalen Klimaregime. Eine besondere Rolle spielt hier die Aarhus-Konvention aus 1998 und das Escazú-Abkommen aus 2018, welche die Information zu, die Beteiligung an und das Einklagen von Klimaschutz völkerrechtlich festlegen. Sie erörterte die Beteiligungsgrundsätze und Prinzipien der Aarhus-Konvention und des Escazú-Abkommens, die im Rahmen der internationalen Klimaverhandlungen zu beachten sind. Besondere Beachtung schenkte sie zwei Akteuren für den Erfolg des 27. Klimagipfels: den zivilgesellschaftlichen Organisationen und der ägyptischen Verhandlungsleitung. Sie warnte vor Verstößen gegen die Freiheitsrechte der potenziellen Teilnehmenden durch die ägyptischen Behörden während der COP.

Dr. Michael Kalis (IKEM) widmete sich der Rolle von Klimaklagen – insbesondere systemic climate change litigation – für den Klimaschutz. Er wies auf die herausragende Bedeutung der Gerichte hin: Letztlich könnten nur sie die im Pariser Abkommen vereinbarte Pflicht zum Klimaschutz in den Nationalstaaten durchsetzen und die Plausibilität der staatlichen Reduktionspfade prüfen. Außerdem untersuchte er das durch den IPCC festgelegte CO2-Budget und arbeitete heraus, dass die Festlegung von normativen Elementen eigentlich demokratisch legitimierten Staaten vorbehalten sein müsste. Er bemängelte die bisher unzureichende Thematisierung dieses Konfliktes durch Gerichte.

Dem folgte Kate McKenzie (Climate Change Litigation Initiative/University of Strathclyde/IKEM), die sich auf Klimaklagen zwischen staatlichen und privaten Akteuren konzentrierte. Sie sieht die Sorgfaltsprüfung (due diligence) als zentrales Element im gerichtlichen Entscheidungsprozess und arbeitet in ihrem Vortrag insgesamt sechs Prüfungspunkte – Risiko, Flexibilität, objektiver Standard, fortlaufende Verpflichtung, Wissen und Angemessenheit – heraus. Außerdem erläuterte sie neue Ansätze für Klimaklagen, zum Beispiel bei den Auswirkungen des Klimawandels auf Meeres- und Seegebiete. Sie wies darauf hin, dass bei der gerichtlichen Auseinandersetzung in diesem Bereich häufig auf seerechtliche Ansprüche verwiesen wird, obwohl bisher keine rechtliche Verbindung zu diesem Rechtsgebiet besteht.

Prof. Dr. Stephan Breidenbach (New School of Law) befasste sich mit Mediation als Alternative zu gerichtlichen Klimastreitigkeiten. Dabei veranschaulichte er die Unterschiede zwischen rechtsbasierten und interessenbasierten Mediationen: Während bei rechts-basierten Mediationen rechtliche Verhältnisse als Diskussionsgrundlage dienen, stehen bei interessen-basierten Mediationen die persönlichen Interessen der Akteur:innen im Zentrum der Auseinandersetzung. Mediationsverfahren, die nur der verbesserten Entscheidungsfindung der Parteienn dienen, seien für Klimaschutzanstrengungen eher hinderlich als förderlich. Wenn Parteien sich im Rahmen eines Mediationsverfahren nur für ihre Partikularinteressen einsetzen würden, wäre die logische Konsequenz eine schlechte Verhandlungsposition des Klimaschutzes.

Den rechtwissenschaftlichen Teil der Jahrestagung schloss Lea Main-Klingst (Client Earth) ab. Sie identifizierte Verfahren, bei denen marginalisierte und vulnerable Gruppen mächtige Akteure klimarechtlich herausforderten. Dies erfolgte unter anderem auf Basis existierender Rechtsmechanismen der UN . Diese Mechanismen ermöglichten es den Gruppen, ihre Unzufriedenheit mit politischen Prozessen und den Ergebnissen internationaler Klimaschutzpolitik zu äußern und ihr Recht geltend zu machen.

Den zweiten Teil der Jahrestagung eröffnete Dr. Camilla Bausch (Ecologic Institut), die die Ergebnisse von COP26 in Glasgow umriss, um sodann die Entwicklungen im Jahr 2022 und die darauf aufbauenden Erwartungen an die Klimaverhandlungen in Ägypten zu beschreiben. Sie erläuterte die Bedeutung der Themen „Anpassung“ und „Verluste und Schäden“ für die ägyptische Präsidentschaft undunterstrich, , dass die Analysen von UNEP zur „Ambitionslücke“ die anhaltende Bedeutung von Emissionsminderungen deutlich machten. Des Weiteren wies sie auf die Potenziale eines Verhandlungsstrangs zu Artikel 2 (1) c des Pariser Abkommens hin, der sich der Kohärenz der Ziele des Pariser Abkommens und der entsprechenden Finanzflüsse widmen würde.

Aylin Shawkat (Agora Energiewende) berichtete über den bisherigen Fortschritt bei der Dekarbonisierung der Schwerindustrie. Diese sei aufgrund des Energiebedarfs ein zentraler Akteur für den Klimaschutz und gleichzeitig untrennbar mit der Debatte um Wohlstand und Beschäftigung verbunden. In ihrem Vortrag plädierte sie für ein rasches Handeln bei der Dekarbonisierung, welches durch eine stringente Gesetzgebung begleitet werden müsse. Handelspartner sollten unter anderem durch gemeinsame Regeln für Carbon Leakage Instrumente, grüne Subventionen und Marktzugang einen fairen internationalen Wettbewerb in klimaneutralen Grundstoffen sicherstellen.

Alexandra Goritz (Germanwatch) sieht Fragen der Finanzierung – egal ob beim Klimaschutz, der Anpassung an den Klimawandel oder beim Thema Verluste und Schäden – als eine der wichtigsten Herausforderung für Fortschritt auf der COP27. Gerade der Ausgleich von Klimaschäden sei ein Thema, das bei der angehenden COP in Ägypten mehr Aufmerksamkeit erhalten solle. Dies sei auch ein zentraler Punkt für internationale Klimagerechtigkeit und insbesondere Industriestaaten seien hier in der Verantwortung, Angebote zu machen.

Zuletzt sprach Karim Mazrou als Vertreter der ägyptischen Botschaft über die Erwartungen des Gastgeberlandes an die Klimaverhandlungen im November. Für Ägypten seien die zentralsten Verhandlungsziele der Fokus auf Implementierung, insbesondere von Klimafinanzierung und die Thematisierung von Verlust und Schäden, sowie die Verschärfung der NDCs.

IKEM-Geschäftsführerin Susan Wilms zeigte sich erfreut, über das große Interesse an der IKEM-Jahrestagung und dankte allen Redner:innen für ihre Vorträge. Der Input hätte noch einmal verdeutlicht, dass das 1,5-Grad-Ziel nur erreicht werden könne, wenn die Ambitionen der einzelnen Länder zur Emissionsreduktion stetig ausgebaut, die Zielerreichung unabhängig überwacht und die Zivilgesellschaft umfassend einbezogen würde.

Ein weiteres Highlight der IKEM-Jahrestagung war das Future Booth von Ellery Studio, bei dem die Teilnehmer: innen ihre Visionen einer wünschenswerten Zukunft mit Hilfe künstlicher Intelligenz visualisieren konnten. Eine Auswahl der Ergebnisse sehen Sie in der folgenden Galerie.

Die IKEM-Jahrestagung 2022 wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung unserer Strategischen Partner:

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Prof. Dr. Michael RodiQuelle: IKEM/Jule Halsinger

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Dennis Nill

Dennis Nill

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IKEM – Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.